Mitglieder aus der Führungsriege des Eishockey-Weltverbandes IIHF (International Ice Hockey Federation) geben sehr selten Interviews. Petr Bříza, 60, einst tschechischer Weltklassetormann und seit 2021 „Senior Vice President“ nahm sich für den KURIER Zeit und sprach über die Probleme des Turniers, Österreichs Team und die Herausforderungen mit den Europa-Ambitionen der NHL sowie der Rückkehr von Russland.
KURIER: Wie sieht Ihre Zwischenbilanz dieser WM aus?
Petr Bříza: Sportlich ist es sehr interessant, weil wir viele NHL-Stars dabei haben. Schweiz, Tschechien, Schweden, Kanada haben sehr gute Spieler hier. Für mich aber, und das ist keine Überraschung mehr, hat Österreich eine super Mannschaft. Das haben sie schon letztes Jahr in Prag gezeigt. Was beim Turnier nicht so gut funktioniert hat, sind die Spiele ohne die großen Nationen. Da waren nicht so viele Zuschauer, manchmal nur 3.000. Das ist für viele Spieler zum Saisonhöhepunkt ein bisschen enttäuschend.
Aber da liegt die Latte nach der Rekord-WM in Tschechien 2024 mit ihren durchschnittlich 12.464 Zuschauern sehr hoch.
Das kann man natürlich nicht erwarten, aber 6.000 sollten möglich sein. Wir haben 2024 in Prag und in Ostrava viel mit Schulen und Klubs gearbeitet. Ich glaube, dies ist eine moderne Art, wie man Eishockey verkauft. Es geht nicht nur um das Spiel, es geht um Entertainment und darum, ein Event zu machen, zu dem auch die jüngere Generation sagt: „Da muss ich dabei sein“.
Auffällig waren die Diskussionen über Schiedsrichter. Liegt es daran, dass in vielen Ligen andere Regelauslegungen üblich sind und es bei der WM schwierig ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen?
Wir haben das offizielle Regelbuch, das ist für alle gleich. Was manchmal die Herausforderung ist, ist die Interpretation. Zum Beispiel wird in Deutschland ein Late-Check oder Körperbehinderung ein bisschen anders gepfiffen als in Finnland. Wenn dann bei der WM zwei Schiedsrichter aus zwei Ländern zusammenkommen, dann braucht es manchmal Zeit.
Das nicht gewertete Foul von David Kickert im Penaltyschießen gegen den Slowaken Kristof sorgte für großen Ärger in der Slowakei …
Die Schiedsrichter schauen, ob der Stürmer den Torwart behindert oder ob die Scheibe über die Linie geht. Das war eine neue Situation für uns. Es kommen immer neue Impulse für Anpassungen. Ich glaube, bei Kickert war es schwer, weil der Schiedsrichter geglaubt hat, dass er den Puck berührt hat.
Welche sind prinzipiell die Herausforderungen bei der Ausrichtung einer WM?
Vor allem die Infrastruktur. Das Turnier hat sich sehr entwickelt, die Bedürfnisse der Mannschaften sind viel größer geworden und es gibt nicht so viele Arenen, die das einfach so machen können. Es ist schade, dass Österreich keine WM haben kann, weil es einfach keine Halle gibt.
Wien baut bis 2030 eine neue Arena für bis zu 20.000 Zuschauer. Eine Idee wäre, dann eine WM mit Bratislava zu veranstalten …
Das wäre ein Traumszenario mit 40 Kilometern Entfernung. Aber Handball und Fußball zeigen, man kann Turniere auch über den ganzen Kontinent machen. Man kann darüber nachdenken, dass die WM in zwei Städten mit größerer Entfernung wie zum Beispiel in London und Prag sein könnte.
Können Sie erklären, warum es im Eishockey jedes Jahr eine Weltmeisterschaft gibt?
Die Antwort ist einfach: Der Grund ist das Geld. IIHF ist eine Organisation mit 83 Mitgliedern, 55 spielen im Championship-Programm. Wir haben jährlich circa 35 Turniere bei Frauen, Männern, U20 und U18. Aber wir haben nur ein Turnier, das Geld verdient. Durch die WM ist das ganze Budget finanziert. Sonst würde die IIHF nicht mehr existieren. Unser Championship-Programm kostet 26 bis 27 Millionen Schweizer Franken (28,9 Mio.€). Ungefähr elf Millionen davon gehen in die Turniere der Lower Divisions. Ein weiterer Grund ist das Interesse von Fans und Medien.
Die NHL plant ab 2028 jeweils zwei Jahre vor Olympia den World Cup of Hockey mit Nationalteams und das in Europa. Es wurde gar ein Büro in Zürich eröffnet. Ist das eine Bedrohung für die IIHF?
Wir haben eine riesige Diskussion mit dem World Cup of Hockey. Die IIHF hat mit den Klubs und Ligen eine gemeinsame Position. Am Anfang war das ein klares Nein. Wir verstehen, dass wir wie in einem Ökosystem zusammen funktionieren. In gewissen Ländern gibt es Transfervereinbarungen. Klubs bekommen gutes Geld, wenn ein Spieler in die NHL wechselt. Das wollen diese nicht in Gefahr bringen. Ich hoffe, dass wir am Ende einen Deal haben werden. Es ist für uns wichtig, dass die NHL-Spieler zur WM kommen. Aber die NHL muss auch wissen, ohne IIHF, ohne unsere Nachwuchs-Turniere, gibt es keine Entwicklung. Es geht nicht nur um Sport, es geht um das Geschäft, um den Markt. Es gibt zwei Partner, die eine Lösung finden wollen.
Wird es nicht schwierig, wenn Nationalspieler im Februar bei einem NHL-Turnier sind und drei Monate später bei der IIHF-WM?
Die NHL argumentiert, dass es bei den Olympischen Spielen auch so ist. Aber das ganze Sportsystem wurde rund um Olympische Spiele gebaut. Seit 1908 wollen Sportler eine Olympische Medaille haben, das gehört zur DNA eines Sportlers.
Welchen Plan gibt es, wenn Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet? Wie kehren Russland und Belarus in die WM zurück?
2022 wurde nach dem Kriegsbeginn entschieden, dass beide „gefroren“ sind. Jedes Jahr wird neu entscheiden, ob das für die kommende Saison so bleibt. Jetzt ist bereits fixiert, dass sie 2025/’26 nicht spielen können. Wenn sie zurückkommen, dann jeweils dort, wo sie zuletzt waren. Also spielen dann bei den Männern beide in der A-Gruppe. Im Jahr davor wird es also keine Aufsteiger geben. Wir würden uns wünschen, dass Russland und Belarus wieder mitspielen können, denn das würde heißen, dass es keinen Krieg mehr gibt und keine Leute mehr sterben.
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