Geholfen hat das nichts, die Richtlinie trat wenige Wochen später in Kraft, Gewessler wurde nicht angeklagt, es wurde seitens der Staatsanwaltschaft auch nicht gegen sie ermittelt.
20 Prozent bis 2030
Die Grünen, könnte man dagegen halten, wurden aber abgewählt, jetzt gibt es eine ÖVP-SPÖ-Neos-Regierung. Spannend ist nun, wie Österreich die Richtlinie umsetzt, denn das ist zum Großteil den EU-Staaten selbst überlassen. Wesentlich sind nur die Zwischenziele: Bis 2030, lautet das erste, müssen 20 Prozent der Flächen „renaturiert“ werden.
Bei einer Podiumsdiskussion der Initiative „Be Wild“ am Donnerstag hoch über Wien am Roan im Wienerwald zeigte sich, dass seither wenig zufriedenstellend geklärt wurde.
Zu Beginn legte eine Umfrage (Institut für Demoskopie und Datenanalyse, 1250 Befragte) dar, dass das Thema in der Bevölkerung als sehr wichtig angesehen wird: „Es ist immer öfter von einem Artensterben auch bei uns die Rede. Wie beurteilen Sie das Artensterben aus Sicht von Natur- und Landwirtschaft“, wurde gefragt, und mehr als zwei Drittel (67 %) sehen es als „besorgniserregend“ an, übrigens deutlich mehr von städtischer Bevölkerung als ländlicher, und deutlich mehr bei den Jüngeren (bis 30) als bei Älteren.
Spannend war die Frage, ob Firmen, die sich Klima-, Umwelt- und Artenschutz auf die Fahnen heften, dabei glaubwürdig seien: Nein, meinten fast drei Viertel der Befragten. Was den Schirmherren der Veranstaltung, den Unternehmer Manfred Hohensinner wiederum wenig überraschte: Er gilt mit seiner Firma Frutura als einer der größten Gemüse- und Obstproduzenten in Europa und ist immer ein lautstarker Befürworter der Renaturierung gewesen – er zahlte seinen zuliefernden Bauern etwa den Ertrags-Entgang, wenn sie zehn Prozent ihrer Ackerfläche als Blumenwiesen für die Bestäuberinsekten belassen. Hohensinner blieb mit seinen Umweltinitiativen trotz Widerstands der Politik und der Agrarvertreter letztlich erfolgreich.
Aber wie sieht das Georg Strasser, mächtiger Chef des Bauernbundes, heute? Strasser diskutierte auf der Bühne mit dem scheidenden Grünen-Chef Werner Kogler (voraussichtlich wird Gewessler seine Nachfolgerin). „Es ist ein großer Irrtum, dass wir Bauern dagegen sind“, merkte er gleich zu Beginn an. Klima- und Artenschutz werde von den Bauern in Österreich hochgehalten, 25 Prozent der Bauern und Flächen produzieren „bio“, drei Viertel der Bauern seien im ÖPUL-Programm (Programm für umweltgerechte Landwirtschaft). „Das Ziel war nie unser Problem, sondern der Weg. Der ist nach wie vor offen, wie auch, wer das bezahlen soll“, sagte Strasser.
Damit hat sich bis heute wenig an der Kritik des Bauernbundes an der umstrittenen EU-Richtlinie geändert: Die Planbarkeit sei nicht gegeben, die Bürokratie für die Bauern nehme weiter zu und teurer werde die Lebensmittelproduktion zudem.
Das Argument konnte Gastgeber Hohensinner relativieren: Denn laut Umfrage hat eine Mehrheit kein Problem damit, mehr als 10 Cent pro Kilo zusätzlich für Lebensmittel zu bezahlen, wenn dafür ökologisch bewirtschaftet wird.
Übrigens bejahten drei Viertel der Befragten, dass die Politik trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen dem Umweltschutz weiterhin mehr oder gleich viel Aufmerksamkeit widmen sollen. Nun ist Agrarminister Norbert Totschnig an der Reihe – er muss bis Herbst 2026 die Regelung zur Renaturierung vorlegen.
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