Jetzt fix: EU-Defizitverfahren für Österreich

Doorstep after working discussion on General Government Budget
EU-Kommission empfiehlt offiziell die Aufnahme des Defizitverfahrens. Die endgültige Entscheidung treffen die EU-Minister am 8. Juli.
  • Die EU-Kommission plant zum zweiten Mal nach 2009 ein Defizitverfahren gegen Österreich wegen Überschreitung der Maastricht-Kriterien.
  • Experten fordern Strukturreformen in Föderalismus und Pensionen zur Budget-Konsolidierung.
  • Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit bisheriger Sparmaßnahmen und externer Faktoren.

Im amtlichen EU-Sprech ist es vorerst eine "Empfehlung", in der politischen Brüsseler Praxis aber ist es quasi fix: Das seit November in Diskussion stehende EU-Defizitverfahren für Österreich dürfte nun tatsächlich kommen. EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis verkündete am Mittwoch offiziell die Entscheidung der Kommission: "Österreichs Defizit entspricht nicht den Kriterien der EU-Fiskalregeln", daher schlage die EU-Kommission die Einleitung eines Defizitverfahrens vor. Der nächste Schritt, die Absegnung dieser Vorschlags durch den die Experten des EU-Rates, ist nur Formsache. Auch die endgültige Entscheidung durch die Wirtschafts- und Finanzminister der 27 EU-Staaten am 8. Juli dürfte schon jetzt fix sein: Das Defizitverfahren wird eingeleitet. Österreichs Defizit überschreite die EU-Grenzen "erheblich", erklärte Dombrovskis: "Das ist ein klarer Fall für ein Defizitverfahren". Neben Österreich wurden auch Finnland, Lettland und Spanien genauer wegen ihrer Haushaltslöcher überprüft, doch derzeit droht nur Österreich die Aufnahme im  Club der Defizitsünder - zusätzlich zu den 8 EU-Staaten, die bereits in einem solchen Verfahren stecken.

Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hatte vergangene Woche noch im Bundesrat erklärt, er habe vor dem Defizitverfahren „überhaupt keine Angst“.

Grund für das erwartete Defizitverfahren ist, dass Österreich mit seinem Budgetdefizit von 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr und den geplanten 4,5 Prozent heuer klar über der erlaubten Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung der Maastricht-Kriterien der EU liegt.

 

Österreichs Plan liegt bereits in Brüssel

Den mittelfristigen Fahrplan, um dieses Defizit wieder zu korrigieren, hat Österreichs Bundesregierung bereits im April bei der Kommission eingereicht. Ist das Verfahren einmal eröffnet, werden sämtliche für das Budget relevanten Entscheidungen in Wien mit der Kommission in Brüssel abgestimmt. "Es ist wichtig, dass Österreich konsequent dem mittelfristigen Strukturplan folgt", betonte Dombrovskis. Die Kontrolle durch die Kommission ist also durchaus engmaschig. Die erste schriftliche Beurteilung des österreichischen Sparplans kommt Ende Juni. Mit wesentlichen Änderungen, oder Einwänden rechnet man in Wien allerdings nicht.  2028 will die Bundesregierung wieder aus dem EU-Defizitverfahren herauskommen. 

Fest steht: Die Budget-Konsolidierung wird nicht einfach. Und ob die eingeleiteten Maßnahmen Österreich wieder in den von der EU-erlaubten Defizit-Bereich bringen, ist alles andere als fix.

Zu diesem Schluss kamen auch zahlreiche Experten im Budget-Hearing, das am Dienstag zum Auftakt der Haushaltsberatungen im parlamentarischen Budget-Ausschuss abgehalten wurde. Eingefordert wurden von allen Fachleuten Strukturreformen – vor allem in den Bereichen Föderalismus und Pensionen.

EU Commission's weekly meeting and pressers in Brussels

Sparpaket der Regierung stopft nur dringendste Löcher

Fiskalratschef Christoph Badelt etwa, der von der ÖVP als Fachmann aufgeboten wurde, machte klar, dass das bisherige Sparpaket nur die dringendsten Löcher stopfe.

Ausgaben- und Einnahmen-Dynamik gingen weiter auseinander, weshalb man mit den Strukturreformen Ernst machen müsse. Ohnehin fehlen seiner Berechnung nach in dieser Legislaturperiode noch etwa sechs Milliarden an zusätzlichen Einsparungen, um wieder innerhalb der Drei-Prozent-BIP-Grenze der EU zu landen.

So meinte auch die von den Grünen nominierte Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller, dass der Budget-Erfolg längst nicht fix sei. Dies werde eben auch davon abhängen, ob die von der Regierung eingesetzten Taskforces entsprechende Ergebnisse zusammenbekämen. Gerade jetzt sei ein guter Zeitpunkt für eine Föderalismus-Reform. Jedenfalls seien ausgabenseitige Strukturreformen die Voraussetzung für eine Budget-Konsolidierung.

EU-Defizitverfahren: Unsicherheiten

Nein, lautete die Antwort der von den Neos nominierten Eco-Austria-Expertin Monika Köppl-Turyna auf die Frage, ob sie an eine erfolgreiche Budget-Konsolidierung mit den bisher bekannten Maßnahmen glaube.

Diese sei mit etlichen Unsicherheiten verbunden, verwies Köppl-Turyna beispielsweise auf die Zoll-Politik von US-Präsident Donald Trump. Zudem basiere zu viel auf Wunschdenken. Für Köppl-Turyna bräuchte es dringend eine Pensionsreform. Auch Badelt sprach sich explizit für eine Anhebung des Antrittsalters aus.

Einen vernichtenden Befund erstellte Martin Gundinger, der von der FPÖ ins Hearing entsendet worden war. Der Experte, der unter anderem für das Hayek-Institut arbeitet, prophezeite, dass am Ende der Legislaturperiode die budgetäre Lage schlechter sein werde als derzeit.

Und AK-Experte Georg Feigl, den die SPÖ entsandt hatte, lobte – wie auch Schratzenstaller und Badelt –, dass die Konsolidierung jetzt einmal tatsächlich angegangen werde.

EU-Kommission geht es nicht nur um Zahlen

Dass nicht allein die nackten Zahlen für die Entscheidungen der Kommission ausschlaggebend sind, zeigt das Beispiel Finnland. Hier hat sich die EU trotz eines Defizits deutlich über vier Prozent gegen die Einleitung eines Defizitverfahrens entschieden. Die bereits von der Regierung in Helsinki getroffenen Entscheidungen würden in richtige Richtung weisen, eine Verbesserung der Budgetsituation sei absehbar. Als Negativbeispiel muss dagegen Rumänien herhalten. Hier erkennt die EU-Kommission auch nach einem bereits seit fünf Jahren laufenden Defizitverfahren keine Verbesserung. Es seien "keine wirksamen Maßnahmen getroffen worden, um das Defizit zu korrigieren." Vorerst aber bleibt es bei einer weiteren Ermahnung durch Brüssel: "Wir senden ein klares Signal, dass dieses schwerwiegende Ungleichgewicht rasch korrigiert werden muss."

  

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