Mit dem Zug durch die Schweiz: Dreiundachtzig Brücken voraus

Landwasserviadukt
Die Rhätische Bahn und die Centovallibahn sehen Bahnfahren als Kulturgut und verbinden historische Züge mit Schienenabenteuer und Naturerlebnis.
  • Die Rhätische Bahn und die Centovallibahn bieten historische Bahnfahrten als kulturelles und naturnahes Erlebnis an.
  • Das Landwasserviadukt in Graubünden ist ein Weltkulturerbe und soll zum Wahrzeichen des Kantons werden.
  • Die Centovallibahn bietet eine landschaftlich beeindruckende Strecke mit 83 Brücken und verbindet das Tessin mit dem Berner Oberland.

Die Ausblicke sind fantastisch. Die Schluchten fallen tief, Wasserfälle höhlen das Gestein, Brücken, Tunnel und Viadukte wechseln sich ab. Die Bahn fährt im niedrigen Tempo, die Schienen schlängeln sich an den Berghängen entlang, die Strecken sind kurvenreich. Das, was vor hundertdreißig Jahren technische und architektonische Meisterleistungen und enorme finanziellen Belastungen waren, um die abgelegenen Bergtäler zu erschließen, sind heute Erlebnisstrecken.

Höhepunkt ist das Landwasserviadukt im Kanton Graubünden, jener Schweizer Region, die an Liechtenstein und das südliche Vorarlberg anschließt. Die Eisenbahnbrücke ist 65 Meter hoch und 136 Meter lang. Der Name rührt vom Flüsschen Landwasser, das überquert werden muss. Das Viadukt gehört zur Albulabahn und ist seit 2008 Weltkulturerbe. Nun soll es auch zum Wahrzeichen des Kantons werden. Es wurde 1901/02 gebaut, um das Engadin zu erschließen.

Chur Dom

Die 40.000-Einwohner-Stadt Chur ist die älteste Schweizer Stadt und Hauptstadt des Kantons Graubünden. 1524 wurde der Freistaat gegründet. Sehenswert ist unter anderem die Bischofskirche mit ihrem Flügelaltar. Während der Bischof katholisch war, war die Stadt protestantisch.

Die Einheimischen hatten damals noch keine Autos, mit der Bahn eröffnete sich ihnen die Welt. In Davos, damals bekannt als Luftkurort zur Bekämpfung der Tuberkulose und seit über fünfzig Jahren Gastgeber des Weltwirtschaftsforums, steigt man in einen historischen Nostalgiezug ein, der einen nach Filisur bringt. Die Gäste in Davos schätzen das Erlebnis, mit einem derartigen Zug fahren zu können. Der Zug verkehrt zweimal täglich, einmal morgens und einmal nachmittags.

Schmalspurbahn und Bahnwärterhäuschen

„Die Nostalgiezüge sollen dazu beitragen, die Bahnkultur zu erhalten“, erzählt der lokale Führer. Sieben Vereine im gesamten Kanton mit rund zweitausend Mitgliedern bemühen sich darum. Diese Strecke ist so wie das gesamte Netz der Rhätischen Bahn (der Name rührt von der früheren römischen Provinz Raetia) eine Schmalspurstrecke. Die Rhätische Bahn ist nicht Teil der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), sondern gehört dem Kanton Graubünden.

Rhätische Bahn

Der Nostalgiezug mit luxuriösen Abteilen. Vereine halten die Bahnkultur am Leben.

Es gibt wirkliche Bahnfans. Sie nutzen zum Beispiel die Möglichkeit, das ehemalige Bahnwärterhäuschen von Filisur für eine Woche um 1.400 Franken zu mieten. Das kleine grüne Holzhaus ist spärlich eingerichtet, der Gast muss selbst einheizen, was aber, wie man erfährt, echte Bahnliebhaber nicht abschreckt.

Eine weitere empfehlenswerte Erlebnisstrecke ist die Centovallibahn. Sie führt von Locarno, das wunderbar am Lago Maggiore im Tessin liegt, durchs Centovalli bis an die italienische Grenze und weiter bis nach Domodossola.

Der Geist von Spiez

Landschaftlich eine einzigartige, fünfzigminütige Fahrt. Schon wieder: Schluchten, stürzende Bäche, enge Kurven, Tunnel, eine Abenteuerfahrt. Die Strecke ist 52 Kilometer lang und überquert 83 Brücken. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Domodossola geht es zurück nach Brig auf Schweizer Terrain und von dort in 35 Minuten nach Spiez am Thunersee. Die kürzeste Verbindung des Tessins mit dem Berner Oberland. Beeindruckend.

Spiez ist ein angenehmer Ort. Es gibt ein altes Schloss und Hügel mit Weinreben, im Hintergrund die Berge mit ihren Viertausendern. Der Blick auf den See beruhigt, vor allem wenn man im Vier-Stern-Hotel Belvédère untergebracht ist. Dort hat auch die deutsche Fußballnationalmannschaft gewohnt, als sie mit ihrem in Spiez entwickelten Kampfgeist 1954 völlig überraschend Weltmeister geworden sind.

Spiez am Thunersee

Das Schloss Spiez am Thunersee zieht viele Besucher an.

See, Gipfel und das Loch

Der Thunersee lädt zum Baden oder auch zu einem Schiffsausflug ein. Weiter geht’s nach Interlaken, das zwischen dem Thuner- und dem Brienzersee liegt. Interlaken ist ein internationales Touristenzentrum, das Gäste aus aller Welt anzieht, die sich den Eiger, Mönch und die Jungfrau ansehen wollen. Am besten entzieht man sich diesem Rummel und nimmt die Standseilbahn auf die Harder Kulm, eine Aussichtsplattform auf 1.322 Metern Seehöhe.

Harder Kulm Interlaken

Auf die in 1.322 Meter Höhe gelegene Plattform führt eine Standseilbahn. Der Besucher blickt auf die Seen von Thun und Brienz, auf Interlaken  und die Viertausender von Eiger, Mönch und Jungfrau. Heimische Sportler laufen die
Erhebung hinauf, Gleitschirmflieger stürzen  von oben hinunter ins Tal.

Anreise
Die Anreise  ist aufgrund des Railjet (Richtung Zürich) problemlos. In Sargans umsteigen nach Chur. oebb.at

Albulabahn
Die 61,67 Kilometer lange Strecke (Thusis–St. Moritz), mit ihren 144 Brücken mit einer Spannweite von über zwei Metern und 42 Tunnels und Galerien gehört zu den spektakulärsten Schmalspurbahnen der Welt.

22.000 Züge  überqueren pro Jahr das Landwasserviadukt, täglich rund 60. Die 65 Meter hohe und 136 Meter lange Eisenbahnbrücke gilt als ein Wahrzeichen der Rhätischen Bahn. rhb.ch

Auskunft
myswitzerland.com

Als der Wirt mitbekommt, dass an diesem Tag Österreicher da sind, zeigt er die in den Bergen gegenüberliegende Lauberhornabfahrt von Wengen, bei der 1954 an derselben Stelle drei österreichische Abfahrer gestürzt sind. „Das Österreicher-Loch“, bemerkt er lachend, um gleichzeitig seinen Respekt vor den Leistungen der heimischen Skifahrer auszudrücken.

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