Es gibt viel zu bewundern an diesen verrätselten Inszenierungen, die den Körper Woodmans oft in abgewohnten, aber symbolisch aufgeladenen Räumen platzieren, ihn teils hinter abgerissenen Tapeten verstecken oder - durch lange Belichtungszeiten oder bloße Abdrücke – verwischen und der Fassbarkeit entziehen.
Verrätselt
Das Geisterhafte, Unheimliche und Surreale hatte es der Tochter eines Künstlerpaares zweifellos angetan, sie fotografierte in der Wachsfigurensammlung La Spezia in Florenz (dem Vorbild für jene des Wiener Josephinums) ebenso wie in Abbruchhäusern ihres Studienortes in Rhode Island an der US-Ostküste. Die „Geisterfotografie“ des 19. Jahrhunderts, bei der gefälschte schwebende Stoffe die Existenz übersinnlicher Dinge dokumentieren sollten, stellte sie mit eigenen Mitteln nach.
Im Parcours der Albertina wird aber auch deutlich, dass das Unfassbare, Ätherische in Woodmans Werk auch in jeder Menge Kalkül und Kunstwollen wurzelte – wobei es posthum freilich unmöglich ist zu sagen, wo bei der jungen Künstlerin die Grenze zwischen eviner intuitiven Anspielung und einem gezieltem Zitat genau verlief.
Inspiration in Italien
Sichtbar ist nur, dass Woodman in ihrem Werk zahlreiche Knöpfe drückte, die bei einer einschlägig gebildeten Klientel erwartbare Reaktionen auslösen musste: Ein Selbstporträt im Profil scheint etwa streng dem Vorbild einer Fotografie von Virginia Woolf, einer weiteren „gequälten Poetin“, zu folgen. Das Zusammentreffen eines Frauenkörpers mit einem Schwan in einem anderen Bild klopft an den Leda-Mythos der antiken Mythologie an, eine Inszenierung mit phallisch-glitschigen Fischen fordert psychoanalytische Zugänge förmlich heraus.
Die Gestik Woodmans in manchen Bildern lässt wiederum an Vorbilder im Expressionismus denken – nicht ganz zufällig paarte die britische Tate Gallery ihre Bilder 2018 mit einem anderen früh verstorbenen gequälten Poeten der Moderne, nämlich Egon Schiele.
Als Tochter eines Kunstprofessoren-Ehepaars, das Teile seiner Zeit in einem Landhaus in der Toskana verbringen konnte, war Woodman zweifellos sensibilisiert für intellektuelle Anregungen aller Art – laut Weggefährten ergab sich daraus ein Startvorteil, aber auch erhöhter Druck, künstlerisch erfolgreich zu sein.
Im falschen Jahrhundert
Woodman habe auf sie den Eindruck gemacht, sie sei „im falschen Jahrhundert geboren“, befand eine einstige Zimmergenossin 2014 gegenüber einer Journalistin des Guardian. Gleichwohl sei sie lustig und schräg gewesen, sagte ihre Mutter, die sich bis zu ihrem Tod 2018 um den Nachlass der Tochter kümmerte: Der frühe Suizid – Francesca Woodman stürzte sich 1981 aus einem Fenster in Manhattan – solle den Blick auf ihre visuelle Erfindungsgabe, die auch Witz und Esprit beinhaltete, nicht verstellen.
Doch ein ungefilterter Blick auf dieses Werk ist wohl kaum möglich und auch nicht sinnvoll: Mittlerweile wird Woodmans Nachlass von der weltgrößten Galerie vertreten und in Preisregionen gehandelt, die es der Leistbarkeit vieler Sammlungen entzieht – erst vor kurzem gab eines der größten US-Museen, das „Art Institute of Chicago“, einen größeren Ankauf bekannt.
Die Albertina-Schau lädt auch dazu ein, darüber nachzudenken, wie eine solche posthume Karriere möglich wurde: Dass die junge Frau, die so schlaue, zeitlose und schöne Bilder schuf, auch zur Projektionsfläche für ein idealisiertes Künstlerinnenbild wurde, ist zumindest ein Teil der Geschichte.
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