„Nulllinie“, das ist die vorderste Front im Krieg und so heißt auch dieser „Roman aus dem Krieg“, der Untertitel von Szczepan Twardochs neuem Buch. Twardoch, geboren 1979, ist einer der bekanntesten polnischen Gegenwartsautoren. Er war selbst immer wieder an der Front in der Ukraine. Er kennt die Sprache des Krieges, auch die Kosewörter für Maschinengewehre und die Grobheiten, mit denen man Tote benennt. Er weiß, dass Ausrüstung, wie man sie aus US-Filmen kennt, illusorisch ist und dass ukrainische Drohnen meist durch Crowdfunding finanziert sind.
Erzähler von „Nulllinie“ ist Koń, ein Pole mit ukrainischen Wurzeln, studierter Historiker. Ein Freiwilliger, der sich den anderen hier überlegen fühlt. Er ist Drohnenpilot, dass er nicht zu „Kanonenfutter“ werden wollte, das wusste er schon seit den Erzählungen seines Großvaters, der im Zweiten Weltkrieg kämpfte. (Bei der SS, wie Koń später erfährt.)
Jetzt sitzt er hier mit Ratte, einem dieser Männer aus der Provinz, die mit Anfang dreißig wie weit über vierzig aussehen. Wobei Ratte es schneller heraußen hatte, dass dieser Krieg sinnlos ist. Koń hingegen, der hat lang der „schönen Propaganda“ geglaubt, dass es sich hier um einen „gerechten Krieg“ handelt. Er hat sich die Ukraine „zum Vaterland erkoren“, damit andere in Frieden leben können. Und ist im Dreck gelandet. Er erinnert sich an das erste Wort der Ilias: Es lautet „Hass“.
Drogenkartelle
Neben ihm und Ratte ist da auch noch der Kiewer „Jagoda“, der das Studium geschmissen hat, weil ihn der Krieg gerufen hat. Der Scharfschütze „Małpa“ und der als Reservist eingezogene „Leopard“, ein übergewichtiger, alkoholkranker Mittfünfziger, der als Junger in der DDR gedient hat, die Ukraine hasst und eigentlich an die Sowjetunion glaubt. Und dann sind da die Kolumbianer, meist wegen des Solds hier, manche von Drogenkartellen geschickt, wegen der Soldatenausbildung.
Man wartet, hält Ausschau, hat Angst. Koń fragt sich, was das alles bedeuten soll. Er erinnert sich an seine Familie, seine Freundin, sein Zuhause. Seine Warschauer Wohnung, in der jetzt seine Schwester wohnt. Ob sie die Pflanzen gießen soll, bis er zurückkommt, fragt sie ihn per WhatsApp. „Ich komme nicht zurück“, schreibt er, schickt die Nachricht aber nicht ab. Er weiß: Niemand kommt zurück. Kaum einer hat Hoffnung, sie wissen, sie sind am Arsch.
Szczepan Twardoch hat immer wieder betont, dass er die Ukraine unterstützt. Dem widerspricht dieser Roman nicht. Dass es im Krieg so etwas wie Ehre und Ruhm geben kann, das stellt er jedoch eindeutig in Abrede. Am Schlachtfeld, da endest du als Fleischeinlage.