„Zuversicht ist die Basis für Empfehlungen“

Der FMVÖ-Recommender-Award gilt als Gradmesser für echte Kundenzufriedenheit in der Finanzbranche. Wie Banken und Versicherungen auf steigende Erwartungen reagieren, warum persönlicher Service wieder an Bedeutung gewinnt – und was sich daraus für die Zukunft lernen lässt, erklären die beiden Initiatoren des FMVÖ-Recommender-Awards: FMVÖ-Präsident Erich Mayer, Präsident des Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) und Robert Sobotka, FMVÖ-Recommender-Studienleiter sowie Geschäftsführer von Telemark Marketing.
Der diesjährige Award steht unter dem Motto „Wert der Zuversicht – Herausforderungen als Chance“. Sind die Zeiten so schlecht, dass Zuversicht wieder ein wichtiger Faktor in der Finanzbranche ist?
Erich Mayer: Wir erleben aktuell eine Zeit, die von außergewöhnlicher Komplexität und Unsicherheit geprägt ist – wirtschaftlich, geopolitisch, aber auch gesellschaftlich. Gerade in solchen Phasen ist Zuversicht ein strategischer Erfolgsfaktor. Es geht nicht um Zweckoptimismus, sondern um eine fundierte, glaubwürdige Haltung, die Orientierung bietet. Finanzdienstleister, die Vertrauen stiften, Sicherheit vermitteln und Perspektiven aufzeigen, leisten einen wesentlichen gesellschaftlichen Beitrag; Finanzdienstleister, die sich in dieser komplexen Zeit nicht von Veränderungen überrollen lassen und nur reagieren, sondern sie aktiv gestalten. Und in jeder Herausforderung liegt auch eine Chance. Eine Chance, besser zu werden, neue Wege zu gehen und näher an die Menschen zu rücken, für die wir arbeiten: unsere Kundinnen und Kunden.
Gibt es inhaltliche Neuerungen beim FMVÖ-Recommender 2025 und was hat sie dazu bewegt, hier neue Impulse zu setzen?
Mayer: Einer der Gründe für den Erfolg des FMVÖ-Recommender ist die Kontinuität in der Erhebungsmethode. Natürlich gab es in der Vergangenheit kleine Anpassungen, so auch heuer. Vor zwei Jahren haben wir einen Spezialpreis für jenes Institut eingeführt, das durch besonderes Kund:innenservice überzeugt. Dies konnte eine Bank oder Versicherung sein. Da Kund:innenservice ein immer größerer Faktor für Zufriedenheit und Weiterempfehlung ist, verleihen wir ab heuer jeweils einen getrennten Preis für Banken und Versicherungen.
Wie hat sich die Weiterempfehlungsbereitschaft in den letzten Jahren bei den Banken und Versicherungen entwickelt?
Robert Sobotka: Im vergangenen Jahr habe ich an dieser Stelle von einer nennenswerten NPS-Steigerung der Banken berichtet. Diese haben ihr gutes Vorjahresergebnis nun bestätigt. Mit einem Jahr Verspätung haben die Versicherungen nachgezogen und sind nun auf einem NPS-Niveau mit den Banken. Interessant ist, dass die Steigerung der Versicherungsbranche mit einer Steigerung der größten Marktplayer einhergeht.
Gab es in diesem Jahr Überraschungen bei den Ergebnissen?
Sobotka: Maßnahmen zur Kundenorientierung zeigen nicht von heute auf morgen Wirkung, sondern führen langfristig zu einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit und der Weiterempfehlungsrate. Die Unternehmen, die Kundenorientierung ernst nehmen, kenne ich mittlerweile gut. Aber darüber hinaus verleihen wir jedes Jahr Sonderpreise, die sich auf besondere Leistungen im abgelaufenen Jahr beziehen: Beispielsweise für das beste Schadensmanagement oder das beste Kundenservice. Da gibt es dann doch oft Überraschungssieger!
Im Kundenservice sehen wir einen starken Trend hin zur Individualisierung.“
Gibt es ein Unternehmen, das Sie heuer besonders beeindruckt hat bzw. zu einem beeindruckenden Ergebnis beim Recommender-Award geführt hat?
Sobotka: Alle Unternehmen, denen es gelingt, ihre Kunden soweit zu überzeugen, dass sie ihre Bank oder ihre Versicherung weiterempfehlen, beeindrucken mich. Im heurigen Jahr sticht vermutlich die Niederösterreichische Versicherung mit dem Sonderpreis für das beste Schadensmanagement heraus. Dieses Bundesland war von der Hochwasserkatastrophe besonders betroffen. Daher beweist die Bestätigung durch die Kunden eine besondere Leistung.
Die Finanzbranche steht unter Transformationsdruck. Welche Trends beobachten Sie aktuell im Kundenservice und Empfehlungsmarketing?
Mayer: Der Transformationsdruck ist spürbar und er kommt aus mehreren Richtungen: steigende regulatorische Anforderungen, Digitalisierung, verändertes Kundenverhalten, die wirtschaftliche Volatilität und natürlich die geopolitische Unsicherheit. Im Kundenservice sehen wir einen starken Trend hin zur Individualisierung und zur Verschmelzung von physischen und digitalen Erlebnissen – also echte Omnikanal-Strategien. Kunden erwarten nahtlose Übergänge zwischen App, Hotline und Filiale oder Geschäftsstelle. Gleichzeitig wünschen sie sich persönliche Ansprache, schnelle Reaktion und proaktive Beratung. Empfehlungsmarketing entwickelt sich dabei ebenfalls weiter. Es reicht nicht mehr, ein gutes Produkt zu haben – es geht darum, Vertrauen aufzubauen und Haltung zu zeigen. Kunden achten stärker auf Werte, Transparenz und Authentizität. Unternehmen, die es schaffen, ehrliche, konsistente Kundenerlebnisse zu schaffen – online wie offline –, werden häufiger weiterempfohlen.
Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen wachsender Kundenerwartung und volatilen Marktbedingungen – und wie begegnen die Unternehmen diesen?
Mayer: Diese liegt im Balanceakt zwischen Stabilität und Flexibilität. Kunden erwarten heute nicht nur kompetente Beratung, sondern auch ein hohes Maß an Verfügbarkeit, digitale Services, Transparenz und nachhaltige Angebote. Gleichzeitig sind viele Institute mit enormem Kosten- und Innovationsdruck konfrontiert. Erfolgreiche Unternehmen setzen verstärkt Maßnahmen, um Bedürfnisse frühzeitig und gezielter zu erkennen und Angebote entsprechend auszurichten – sei es in der Produktgestaltung oder in der Kommunikation. Gleichzeitig besinnen sich viele Häuser wieder stärker auf ihre Kernwerte. In unsicheren Zeiten braucht es Marken, die für etwas stehen – für Verlässlichkeit, Sicherheit, Nähe. Das schafft Orientierung und Differenzierung in einem zunehmend austauschbaren Marktumfeld. Ein weiterer Schlüssel liegt in der Mitarbeiterentwicklung: Nur wer intern motivierte, kompetente und empathische Teams hat, kann nach außen exzellenten Service bieten – unabhängig von Marktzyklen.
Differenzieren kann man sich nach wie vor nur durch persönliche Kundenbetreuung.“
Das Motto der diesjährigen FMVÖ-Recommender-Gala war: „Wert der Zuversicht“. Welche Rolle spielt Zuversicht für die Weiterempfehlungsbereitschaft von Kunden?
Sobotka: Zuversicht bezieht sich auf eine positive Zukunftserwartung. Wenn ich nicht zuversichtlich bin, dass mich mein Finanzinstitut auch in den nächsten Jahren gut betreuen wird, werde ich dieses Institut nicht weiterempfehlen. Zuversicht ist also die Basis für Empfehlungen. Künstliche Intelligenz und andere digitale Tools verändern die Branche rasant.
Aber wie wichtig ist in Zeiten der Digitalisierung der Finanzunternehmen der persönliche Kontakt zu den Kunden, um die Weiterempfehlungsbereitschaft zu erhöhen?
Sobotka: Die Anwendung von KI kann Kundenbeziehungen schneller, kostengünstiger und damit effizienter gestalten. Wenn alles schnell und richtig funktioniert, ist das gut, allerdings kein Grund zur Weiterempfehlung. Differenzieren kann man sich nach wie vor nur durch persönliche Kundenbetreuung. Bei allen technischen Fortschritten: Der Mensch bleibt nach wie vor ein Mensch!
Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die heimische Finanzdienstleistungsbranche in den nächsten Jahren?
Mayer: Ich wünsche mir eine Branche, die ihre Gestaltungskraft wieder stärker ausspielt – nicht nur im Hinblick auf Produkte oder Prozesse, sondern auch gesellschaftlich. Die Finanzbranche hat die Mittel und die Verantwortung, Transformationen zu begleiten – etwa in der Nachhaltigkeitsfinanzierung, der digitalen Bildung oder der Förderung von finanzieller Resilienz. Wir sollten diese Rolle selbstbewusster annehmen. Wenn wir die Kunden nicht nur als Zielgruppe, sondern als Partner begreifen und Innovationsfreude mit Empathie kombinieren, dann sehe ich eine sehr positive Zukunft für unsere Branche. Denn Finanzdienstleistungen haben nach wie vor eine zentrale Bedeutung im Leben der Menschen – und genau da liegt unsere Chance, Relevanz mit Verantwortung zu verbinden.
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